Das erste Mal Führungskraft
Als ich mit Anfang dreißig das Angebot bekam, eine Abteilung zu leiten, habe ich spontan “Ja” gesagt. Ohne zu wissen, was auf mich zukommt. Mein Chef traute mir den Job zu und ich fühlte mich natürlich geschmeichelt. Mein erster Führungsjob wurde zu einer echten Herausforderung. Zumal ich einfach ins kalte Wasser geworfen wurde und mit meinen Problemen eher alleine dastand.
Bei den älteren Mitarbeitenden stieß ich auf offenes Misstrauen, ob ich ihnen denn überhaupt etwas zu sagen hätte. Manche versuchten mich auszutricksen, in dem sie zu meinem Chef gingen. Einige meiner früheren Kolleginnen machten einen großen Bogen um mich, denn als Führungskraft gehörte ich jetzt nicht mehr zu diesem Kreis.
Als Führungskraft war ich jetzt in einer anderen Rolle.
Heute kann ich nur empfehlen: Wägen Sie genau ab, ob Sie eine Führungsaufgabe übernehmen möchten. Können Sie sich hier und jetzt uneingeschränkt darauf einlassen? Wie gut können Sie mit Konflikten umgehen? Denn die wird es früher oder später geben. Wie sieht es mit Ihrem Einfühlungsvermögen aus? Können Sie andere mitnehmen? Können Sie unterschiedliche Meinungen und Sichtweisen aushalten und zu einer Lösung bringen? Wie standfest sind Sie in schwierigen Situationen? Können Sie andere von Ihrem Standpunkt überzeugen?
Eine gute Führungskraft fällt allerdings in den seltensten Fällen wirklich vom Himmel. Sie muss sich entwickeln dürfen. Ich hatte das Glück, bei einem anderen Arbeitgeber ein umfassendes Schulungsprogramm für Führungskräfte zu erhalten. Sich selbst zu reflektieren und der Austausch mit anderen Führungskräften, haben mir sehr für meine eigene Führungsposition geholfen,
Wenn Sie zum ersten Mal eine Führungsposition bekommen, sollten Sie diese Anfänger-Fehler nach Möglichkeit vermeiden.
Fehler 1 - Aktionismus
Sie sind neu als Führungskraft und machen sich voller Eifer ans Werk. Sie lassen keinen Stein auf dem anderen. Sie verändern alles - Strukturen, Abläufe, Prozesse. Statt erst einmal zu fragen, zu beobachten und den neuen Aufgabenbereich und die Mitarbeitenden besser kennenzulernen. Niemand erwartet Wunder von Ihnen. Lassen Sie sich Zeit. Aktionismus endet oft im Chaos.
Fehler 2 -Schnellschüsse
Aufgrund eigener Erfahrungen glauben Sie zu wissen, wie die Dinge funktionieren. Ohne ihr neues Arbeitsumfeld wirklich zu kennen. Das Risiko ist hoch, voreilige Entscheidungen zu treffen, ohne ausreichende Informationen zu haben. Dabei können schnell falsche oder schlechte Entscheidungen entstehen. Gerade am Anfang sollte eine Führungskraft die Erfahrung des Teams nutzen. Sie sollte sorgfältig und umfassend alle Informationen sammeln.
Fehler 3 - Alleingang
Auch wenn Sie jetzt eine Führungskraft sind, gibt es immer noch eine Vorgesetzte oder einen Vorgesetzten. Sich mit dieser Person nicht abzustimmen und das Umfeld vor vollendete Tatsachen zu stellen ist keine gute Idee. Zum einen verärgert es die Vorgesetzten und zum anderen demotiviert es das Team.
Fehler 4 - Ideen klauen
Wenn Sie als Führungskraft mit Ihren Mitarbeitenden in den ersten Gesprächen viele neue Ideen entwickeln, schmücken Sie sich nicht mit fremden Federn. Präsentieren Sie diese Ideen nicht als eigene Gedanken. So frustrieren Sie nur Ihr Team. Erfolgreich sind Sie am Ende nur mit Ihrem Team.
Fehler 5 - Aufschieben
Wenn es gilt, Entscheidungen zu treffen, sollten Sie dies auch zeitnah tun. Manche Führungskräfte vermeiden Entscheidungen oder schieben sie vor sich her. Sie wollen kein Risiko eingehen. Sie lassen endlose Diskussionen zu. Dadurch werden Entscheidungen immer viel zu spät getroffen, so lange bis es richtig schief geht. Dann kann es Sie Ihren Job kosten. Wenn Sie keine Entscheidungen treffen wollen, sollten Sie keine Führungsaufgabe übernehmen.
Fehler 6 - Verzetteln
Auf eine Führungskraft kommen vielfältige Aufgaben zu. Manche versuchen überall mitzumischen und stoßen immer wieder neue Projekte an. Sie verzetteln sich und erschaffen überall Baustellen und damit jede Menge Probleme.
Daher ist es wichtig, die eigenen Kräfte und Aktivitäten zu fokussieren. Prioritäten zu setzen, Aufgaben zu delegieren. Zwischen wichtig und dringend zu unterscheiden.
Fehler 7 - Wo ist eigentlich unsere Führungskraft?
Manche Führungskräfte glänzen durch Abwesenheit. Sie verbringen ihre Zeit lieber in Führungsgremien oder auf Kundenterminen, anstatt sich um die Belange ihrer Mitarbeiter zu kümmern. Das Team fühlt sich im Stich gelassen. Wer als Chefin oder Chef seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit schwierigen Fragen alleine lässt, darf sich nicht wundern, wenn die besten Leute kündigen.
Fehler 8 - der bessere Sachbearbeiter
Wenn Sie eine Führungsaufgabe übernehmen, wechseln Sie Ihre Rolle. Sie sind nicht länger Fachkraft. Sie kümmern sich nicht mehr um komplexe Sachaufgaben, sondern kümmern sich um die übergeordneten Zusammenhänge. Bevor Sie eine Führungsaufgabe übernehmen, machen Sie sich klar: Ihr Fachwissen und Ihre Expertise sind nicht mehr ausschlaggebend. Wenn Sie das nicht wollen, lehnen Sie besser eine Führungsaufgabe ab. Sie haben sonst eine große Chance als Führungskraft zu versagen.
Fehler 9 - Die Mitarbeitenden haben Priorität
Manche Führungskräfte wollen jeden Konflikt, jede Diskussion mit Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vermeiden. Sie versuchen, sich beliebt zu machen mit Zuwendungen und Gefälligkeiten. Anstatt zu führen, gehen sie auf „Kuschelkurs“. Auch nach Außen sind sie jederzeit die Interessenvertreter der Belegschaft. Das führt am Ende zu einer unproduktiven und leistungsschwachen Team. Das kann sie am Ende den Job kosten.
Fehler 10 - Das Gesetz bin ich
Manche Führungskräfte wählen einen autoritären Führungsstil. Sie sehen sich als Herrscherin oder Herrscher ihrer Bereichs (“mein kleines Reich”)
Manchmal steckt die Angst dahinter, weich und führungsschwach zu wirken. Dieser Führungsstil führt zu Angst und Duckmäusern im Team. Die mutigen und guten Mitarbeitenden werden das Reich verlassen.
Gute Vorgesetzte fallen nicht vom Himmel
Wer vor “echten” Führungsaufgaben steht, erkennt seine Stärken und Schwächen - das kann kein Führungs-Seminar vermitteln. Jemand merkt zum Beispiel, dass sie oder er dazu neigt, sich vor jeder Entscheidung mehrfach abzusichern. Oder jemand traut sich nicht, Klartext zu reden, wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter die geforderte Leistung nicht erbringt. In dieser Selbstreflexion liegt die Chance, sich weiterzuentwickeln.
Wer eine Führungsposition antritt, weiß meistens nicht, was sie oder ihn erwartet. Es besteht immer auch die Gefahr des Scheiterns.
Es ist auf jeden Fall sinnvoll, wenn eine frisch gebackene Führungskraft einen Mentor, einen Coach, eine erfahrene Kollegin oder einen erfahrenen Kollegen aus dem Unternehmen zur Seite hat. Mit dieser Person können fragwürdige Situationen thematisiert und neue Herausforderungen gemeistert werden.
Wie haben Sie Ihre erste Führungsaufgabe erlebt?
Sehen Sie sich selbst als Führungskraft?
Schreiben Sie mir gern eine Mail: judith@judith-eggers.eu oder hinterlassen Sie einfach einen Kommentar
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