Unsere Arbeitswelt befindet sich im Wandel. Was sich auch daran zeigt, dass Führungsaufgaben immer unbeliebter werden.
Eine repräsentative Civey-Umfrage der „Initiative Chefsache“ ergab, dass nur noch 35% der Beschäftigten in Deutschland von einer Führungsaufgabe träumen. Das ist der niedrigste Wert seit 2018 – Besonders Gering ist das Interesse bei Frauen – 70% streben keine Führungsrolle an.
Führungsposition in Teilzeit – funktioniert nicht?
Es verwundert nicht, dass viele Angestellte keine Führungsaufgabe übernehmen wollen. Bis heute hält sich der Anspruch und Glaube, dass diese Aufgabe mit einer höheren Arbeitszeit verbunden sein muss. Oft wird diese Erwartung auch in den entsprechenden Verträgen ausdrücklich formuliert. „Normal“ sind 45 bis 54 Stunden pro Woche. Schon wer als Führungskraft 38 oder 40 Stunden arbeitet, wird als Teilzeitkraft „verspottet“.
Teilzeitarbeit wird sofort mit Halbtagsbeschäftigung, Frauenarbeit, wenig qualifizierter Arbeit verbunden. Wer also Teilzeit-Beschäftigter ist, ist weniger wertvoll als die Ganztags-Kraft. Ob das noch zeitgemäß ist, wage ich zu bezweifeln. Bloße Anwesenheit ist noch kein Zeichen von Kompetenz und Qualität.
Viele Führungskräfte befürchten, wenn sie in Teilzeit arbeiten zeigt das Ihre Entbehrlichkeit im Betrieb. Auch im persönlichen Umfeld stößt diese Idee oft auf Unverständnis.
Inzwischen kommen neue Generationen in die Unternehmen, die deutlich interessierter sind an Work-Life-Balance. Intelligente Arbeitszeitmodelle sind gefragt. Es ist also an der Zeit, alte Vorstellungen von Führen in Teilzeit über Bord zu werfen.
Der Wunsch nach Teilzeit als Führungskraft - ein Beispiel aus meiner Praxis
Zu mir kam vor einiger Zeit ein Abteilungsleiter. Sein Sohn war vor sechs Monaten auf die Welt gekommen. Seine Frau war seither zuhause. Jetzt wollte er zwei Monate Elternzeit nehmen. Seine Frau wollte wie er weiterhin berufstätig sein. Daher hatten sie sich überlegt, ihre Arbeitszeit. – für die nächsten zwei bis drei Jahre - jeweils auf 75% zu reduzieren. – Der Gesetzgeber hat durch das Gesetz zur Teilzeit entsprechende rechtliche Rahmen geschaffen. Tatsächlich war er der erste Vater im Unternehmen, der Elternzeit plante! Der Geschäftsführer hatte ihm deutlich gesagt, was er davon hält: nämlich gar nichts.
Was für seinen Arbeitgeber noch etwas besonderes war, wird immer mehr zur Realität. Die klassischen Rollenverteilungen werden in Frage gestellt. Frauen wollen trotz Kind an Ihrem Arbeitsplatz bleiben. Bei dem akuten Fachkräfte-Mangel wird es umso wichtiger, auch Frauen einen Arbeitsplatz anzubieten
Teilzeit-Führungskraft – nur etwas für gute Führungskräfte
Erfolgreiche Führungskräfte wollen sich nicht im Tagesgeschäft aufreiben, sondern sie fördern Eigenverantwortung und delegieren Aufgaben soweit wie möglich. Ihre Mitarbeitenden habe klare Aufgaben und Verantwortlichkeiten. Regelmäßige Kontrolle ist für die Führungskraft nicht nötig. Sie greift nur im Krisenfall oder bei Problemen ein. Daher sind es auch eher diese Führungskräfte, die über Teilzeit nachdenken. Kein Kontroll-Freak oder eine schwache Persönlichkeit wird über Führen in Teilzeit nachdenken.
Angst vor Macht- und Statusverlust
Bis heute scheitern diese Modelle der Führung in Teilzeit nicht an den Beteiligten, sondern an deren Führungskräften. Oft noch in anderen Rollenvorstellungen verhaftet, sind sie nicht bereit neue Wege zu gehen. Da gibt es die fadenscheinigsten Argumente.
Es lassen sich sicher noch mehr Argumente dagegen finden.
Häufig wird auch argumentiert, ein Vorgesetzter müsse für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglichst gut oder immer erreichbar sein. Keine Vollzeit-Chefin, kein Vollzeit-Chef ist immer erreichbar. Es gibt Geschäftsreisen, Meetings, Kundentermine, Urlaub und ähnliches. Der Anspruch ständig erreichbar zu sein, wird immer mehr in Frage gestellt.
Sicher muss ein Unternehmen damit rechnen, wenn die Führungskraft Teilzeit arbeitet, werden auch die Mitarbeitenden darüber nachdenken und entsprechende Lösungen einfordern.
Führen in Teilzeit - Lösungen und Argumente.
Hier 4 Tipps, wie Sie Ihre Chefin oder Chef überzeugen
Tipp 1 – Welches Teilzeitmodell
Präsentieren Sie für Ihre Teilzeitbeschäftigung einen klaren Plan.
Es gibt verschiedene Modelle für Teilzeit
Überlegen Sie wie Sie die Teilzeit gestalten möchten und verlieren Sie die betrieblichen Belange nicht aus dem Blick.
Gibt es bestimmte Hochphasen des Geschäftes? Ist Ihre Stellvertretung schon so weit, dass sie einen Tag alleine „durchhält“
Klären Sie gemeinsam mit Ihrem Team, wer einen Teil Ihrer Aufgaben zusätzlich schultern kann.
Wie verhalten Sie sich, wenn tatsächlich eine wichtige geschäftliche Situation die ganztägige Anwesenheit erfordert? Sind Sie zu Kompromissen bereit.
Zeigen Sie Ihrer Führungskraft auf, dass Sie verschiedene Szenarien bedacht und betrieblichen Belange berücksichtigt haben.
Stellen Sie sicher, dass Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ihren Entschluss mittragen.
Tipp 2- Stellvertreterin oder Stellvertreter einarbeiten
In jedem gut geführten Unternehmen, sollte es einen benannten Stellvertretenden der Führungskraft geben. Das ist schon daher notwendig, da eine Führungskraft Urlaub macht, sie könnte langfristig ausfallen, kündigen …….
Für Nachwuchskräfte ist es eine gute Chance in eine Führungsrolle hineinzuwachsen. - Eine erfolgreiche Personalentwicklung on-the-job.
Die Verantwortlichkeiten und Aufgaben müssen dabei klar abgegrenzt sein. Was darf die Stellvertretung ohne Rücksprache entscheiden? Wie weit geht die Führung durch die Vertretung? Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen genau über die Rolle des Stellvertretenden informiert.
Regeln Sie sorgfältig in welchen dringenden Fällen Sie gestört werden dürfen.
Tipp 3 – Kommunikations-Regeln aufstellen
Welche Kommunikationsstrukturen brauchen Sie, damit Führung und Zusammenarbeit auch bei reduzierter Arbeitszeit reibungslos laufen?
Gibt es morgens eine kurze Teamrunde, damit Sie auf den aktuellen Stand gebracht werden? Wo und wie werden anstehende Aufgaben, Entscheidungen besprochen?
Gibt es einen festen Tag, an dem Sie sich mit Ihrer Stellvertretung zu einer Planungs-Gespräch treffen?
Möchten Sie von bestimmten Emails eine Kopie bekommen?
Soll nach außen bekanntgegeben werden, dass Sie Teilzeit-Chefin oder Chef sind? Was wird Kunden über Ihre Abwesenheit erzählt?
Tipp 4 - Führen in Teilzeit - Ihre Führungskraft überzeugen
Wenn Sie ein überzeugendes Konzept in der Tasche haben, suchen Sie das Gespräch mit Ihrer Führungskraft. Hier sollten Sie darstellen, warum und wie wichtig Ihnen die Teilzeit-Lösung ist.
Senden Sie eindeutige Ich-Botschaften: z.B. „Ich möchte ein guter Vater sein und die nächsten zwei Jahre mehr Zeit mit meiner Familie verbringen. Damit auch die Interessen des Unternehmens nicht zu kurz kommen, habe ich einen Lösungsvorschlag erarbeitet, den ich Ihnen gern vorstellen möchte.“
Rechnen Sie damit,
- dass Ihre Führungskraft nicht begeistert sein wird
- dass Sie eine ablehnende Haltung einnimmt und z.B. entgegnet: „Das interessiert mich nicht! Wenn Sie mehr Zeit für Ihre Familie haben möchten, können Sie ja kündigen!“
Lassen Sie sich dadurch nicht provozieren. Laden Sie Ihre Führungskraft ein, weiter mit ihnen zu sprechen. Z.B. „Ich möchte meine Arbeit nicht aufgeben, denn ich arbeite gern für dieses Unternehmen. Ich weiß, dass Sie mich und meine Arbeit schätzen. Das haben Sie mir immer wieder gesagt. Deshalb habe ich nach einer Lösung gesucht, die für beide Seiten passend ist. Können wir darüber sprechen?“
Wenn auch das nicht klappt: „Sie kennen jetzt meinen Wunsch nach einer anderen Arbeitszeit. Können wir darüber übermorgen noch einmal sprechen? Dann konnten Sie in Ruhe darüber nachdenken.“
Es liegt an Ihnen, ob Sie Ihren Wunsch nach Führen in Teilzeit aufgeben oder dranbleiben. Bei meinem Klienten und seiner Frau hat es am Ende so funktioniert, wie sie es geplant hatten. Für seine Ehefrau war es einfacher, aber auch er konnte seine Geschäftsführung überzeugen. Welches Unternehmen will es riskieren, einen guten Mitarbeiter zu verlieren? So einfach ist niemand zu ersetzen
Fazit
Führen in Teilzeit funktioniert. Es erfordert klare Strukturen, Regeln für die Kommunikation und eindeutige Regelungen der Verantwortlichkeiten und Zuständigkeit.
Die Mitarbeitenden sollten umfassend über den Wunsch nach Teilzeit informiert werden, dann werden sie auch mitziehen.
Führen in Teilzeit setzt Vertrauen voraus: in die Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter und die Stellvertretung.
Klar, es kann passieren, dass am Stuhl gesägt wird. Das passiert auch Vollzeit-Führungskräften.
Wer in Teilzeit führt, muss damit rechnen, dass auch die Mitarbeitenden flexiblere Arbeitszeiten einfordern. Es muss damit die Bereitschaft vorliegen, individuelle Arbeitszeitmodelle zuzulassen. Ansonsten wird das eigene Teilzeit-Modell scheitern.
Es bleibt die Frage, wie modern und aufgeschlossen das Unternehmen ist.
Wenn Sie sich für die Studie interessieren hier erfahren Sie mehr
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