Was Trauer mit einer Kündigung des Arbeitsplatzes zu tun haben - darüber habe ich mit einer Trauerbegleiterin gesprochen.
Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ist, welchen Schock eine Kündigung auslöst.Ich war erstaunt, wie lange diese Trennung nachwirkte. Das gleiche erleben ich bei meinen Klientinnen und Klienten.
Kündigung - der Arbeitgeber hat entschieden
Die Kündigung durch den Arbeitgeber passiert gegen den eigenen Willen, kommt manchmal aus heiterem Himmel. Die Betroffenen hatten überhaupt keine Möglichkeit sich vorzubereiten. Er oder sie ist wie vor den Kopf gestoßen. Von jetzt auf gleich ist die Welt nicht mehr die gleiche ist wie vorher war. Im finanziellen Bereich kann sie weitreichende Folgen haben. Den Betroffenen wird der Boden unter den Füßen weggezogen. Sie oder er versteht die Welt nicht mehr. Sie haben sich loyal verhalten und fühlen sich mit dem Arbeitgeber verbunden. Gerade wenn jemand viele Jahre für das Unternehmen gearbeitet hat.
Obwohl ich wusste, dass es schon lange Verhandlungen im Unternehmen gab und für mich klar war, was das für mich bedeuten würde. Selbst dann bin ich in ein tiefes Loch gefallen und hatte so etwas wie Schockstarre. Ich war zu dem Zeitpunkt noch in der Probezeit, aber trotzdem brauchte ich eine gewisse Zeit, um wieder ins Handeln (Phase 4) zu kommen.
Bei meinen Coachee beobachte ich, je länger sie im Unternehmen waren, je erfolgreicher sie waren, um so tiefer ist das Loch in das sie fallen. Die Trauer um den verlorenen Job dauert zum Teil recht lange. Zum Teil sind es Monate oder sogar Jahre bis dieser Trauerprozess abgeschlossen ist.
Was passiert nach der Kündigung
In der Zusammenarbeit mit meinen Klientinnen und Klienten erlebe ich sehr unterschiedliche Phasen nach ihrer Kündigung.
Ich wolle wissen: "Was sind typische Phasen während eines Trauer-Prozesses? Ist die Zeit nach der Kündigung mit einem Trauerprozess vergleichbar?
Hier die Einschätzung der Trauerbegleiterin:
"Ja die Zeit nach der Kündigung ist mit einem Trauerprozess vergleichbar. Es geht um Verlust.
Der Arbeitsplatz ist ein wichtiger Teil des Lebens und ist mit vielen Emotionen verbunden.
Nach dem Trauer-Modell von Verena Kast besteht der Trauerprozess aus vier Phasen. In jeder Phase stehen andere Dinge im Vordergrund. Der Übergang zwischen den Phasen nicht statisch, sondern fließend. Es kann sein, dass jemand kurzzeitig wieder in eine vorhergehende Phase zurückfällt.
Phasen des Trauerprozesses
Die erste Phase:
Nicht wahrhaben wollen
Auf einmal ist alles anders. Verzweiflung, Hilf- und Ratlosigkeit herrschen vor. Das Geschehene wird noch nicht erfasst, man leugnet es ab. Man kann und will es nicht glauben. Viele Menschen sind wie erstarrt, verstört und völlig apathisch. Andere geraten außer Kontrolle, brechen zusammen. Der Schock sitzt tief. Körperliche Reaktionen: rascher Pulsschlag, Schwitzen, Übelkeit, Erbrechen, motorische Unruhe. Diese Phase kann wenige Stunden bis mehrere Wochen dauern.
Die zweite Phase:
Aufbrechende Gefühle
Leid, Schmerz, Wut, Zorn, Freude, Traurigkeit und Angst können an die Oberfläche kommen. „Warum musste es ausgerechnet mich treffen?“ oder „Womit habe ich das verdient?“ Wut und Zorn entstehen gegen Gott und die Welt. Diese aggressiven Gefühle können sich auch gegen sich selbst richten: „Hätte ich mich mehr anstrengen müssen?“ „Hätte ich die Kündigung verhindern können?“ Daraus entstehen quälende Schuldgefühle. All diese aufbrechenden Gefühle, sollte man keineswegs unterdrücken. Sie helfen den eigenen Schmerz besser zu verarbeiten. Werden diese Emotionen unterdrückt, können sie viel zerstören – bis hin zu einer Depression. Die Dauer dieser Phase lässt sich nur schwer abschätzen - von ein paar Wochen bis zu mehreren Monaten.
Die dritte Phase:
Suchen und Sich-Trennen
Auf jeden Verlust reagieren wir mit Suchen. Im Verlaufe dieses intensiven Suchens, Findens und Wieder-Trennens kommt irgendwann der Augenblick - eine innere Entscheidung wird getroffen – wieder nach vorne schauen. Diese Phase kann Wochen, Monate oder Jahre dauern
Die vierte Phase:
Ein neuer Weg bahnt sich an
Langsam erkennt jemand, dass das Leben weitergeht. Es ist an der Zeit, wieder neue Pläne zu schmieden. Der Trauerprozess hat Spuren hinterlassen, die Einstellung eines Menschen zum Leben hat sich oft verändert. Das ehemalige Unternehmen bleibt Teil des Lebens. Lebt weiter in den Erinnerungen.“
Wenn ich meinen Coachee versuche zu erklären, welche Gefühle nach einer Kündigung aufbrechen, sind sie oft überrascht. Sie verbinden Trauer und Kündigung kaum miteinander. Ich wollte wissen: „Gibt es dazu Tipps von Deiner Seite. Wie kommt jemand gut durch diese Phasen?
Die Tipps der Trauerbegleiterin:
„Wenn jemand eine Kündigung von seinem Arbeitgeber erhält, hilft es im ersten Schritt anzuerkennen, dass sie oder er in einem Trauerprozess ist. Sicher ist der Verlust eines Arbeitsplatzes nicht mit dem Verlust einen Menschen gleichzusetzen. Aber in beiden Fällen ist es ein Verlust. Wir können nichts mehr ändern, wir müssen lernen mit diesem Verlust umzugehen. Genau darin gleichen sich die beiden Situationen.
Daher glaube ich, dass es entlastend ist, wenn jemand weiß, dass er oder sie in einem Trauerprozess ist. Dass die eigenen Reaktionen ganz normal sind. Dass die aufbrechenden Gefühle dazu gehören und kein persönliches Versagen sind. Niemand ist verrückt oder ein Weichei.“
Druck durch Familie und Freunde
Freunde und Familie üben ja oft – ungewollt - Druck aus. Es sind diese Sätze wie: „Du findest schon wieder einen Job.“ „Du bist doch qualifiziert.“ „Du musst jetzt nach vorne schauen.“ „Ich habe eine Stellenanzeige gefunden, da könntest Du Dich doch bewerben.“
Das sagt die Trauerbegleiterin dazu:
„Die Betroffenen sind dazu einfach noch nicht in der Lage. Es braucht einfach seine Zeit bis jemand wieder nach vorn blicken kann. Sie oder er muss sich an die neue Situation gewöhnen und lernen damit umzugehen. Jemand muss tatsächlich diese Phasen durchlaufen, bis sie oder er denken kann. „Ja ich will nach vorn gucken.“ Bis sie oder er sich zutraut, sich mit Alternativen oder Optionen zu beschäftigen. Es dauert einfach seine Zeit.“
Das kann ich nur bestätigen. Es ist manchmal eine Herausforderung für mich als Coach, meinen Klientinnen und Klienten in dieser Zeit den Rücken zu stärken. Gleichzeitig brauche auch ich Geduld und muss darauf achten, genau keinen Druck aufzubauen.
Kann man sagen wie lange so eine Phase normalerweise dauert? Gibt es Erfahrungswerte?
Die Einschätzung der Trauerbegleiterin:
„Sie ist von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Ein paar Wochen, in den jemand durchhängt sind völlig normal. Es können aber auch Monate sein, wenn die Veränderung sehr einschneidend erlebt wird. Sicher spielt es auch eine Rolle, wie lange jemand im Unternehmen beschäftigt war. Wie positiv sie oder er seine Arbeit und das betriebliche Umfeld empfunden hat, die gemeinsame Geschichte und die Erinnerungen. Wenn jemanden nach 40 Jahren Betriebszugehörigkeit der Stuhl vor die Tür gestellt wird, ist die Reaktion viel heftiger, als wenn jemand in der Probezeit ist. Dann kommt es natürlich auf darauf an, wie der Trennungsprozess gestaltet wurde.“
Viele meiner Coachee waren sehr lange im Unternehmen. Manche haben dort auch ihre Ausbildung gemacht. Den Trennungsprozess haben sie oft sehr negativ erlebt. Monatelang Gerüchte über Stellenabbau. Niemand informiert über die betrieblichen Pläne.
Dann das Feilschen um den Abfindungsbetrag. Keine Antwort auf die Frage „Warum ausgerechnet ich?“ Keine Gespräche auf Augenhöhe. Genau dieser Umgang mit den Betroffenen hinterlässt zusätzlich tiefe Verunsicherung.
Wenn jemand erfolgreich war oder jemand hat viel Anerkennung für einen super Job bekommen, dann ist die Trennung besonders heftig. Es wird eine unternehmerische Entscheidung getroffen. Dann ist jemand weg, egal wie gut sie oder er war.
Muss man die Phasen durchleben?
Ich wollte wissen: „Gibt es eine Möglichkeit für jemanden- in den verschieden Phasen – irgendwie gegenzusteuern?“
Das meint die Trauerbegleiterin:
„Etwa ab der dritten Phase kommen die Betroffenen in ruhigeres Fahrwasser. Langsam keimt die Idee oder der Gedanke nach Optionen zu suchen. In dieser Phase kommen die Menschen zu mir, um sich Hilfe zu holen. In meinen Fall eine Trauerbegleitung oder wie bei Deinen Klientinnen und Klienten ein Coaching.
Oft hat jemand keine Idee, wo die Reise hingehen könnte. Sie oder er fühlt sich hilflos, ohne Perspektive. Gerade in der Phase kommt es darauf an aktiv zu werden. Nach neuen Möglichkeiten zu suchen.
Es geht jetzt darum, mit dem Verlust leben zu lernen. Wie kann ich den Verlust in mein neues Leben integrieren. Nicht in der Negativ-Schleife zu verharren.“
Für meine Coachee bedeutet das, sich bewusst zu machen, was sie alles gelernt haben. Welche Erfahrungen sie gesammelt haben. Dass sie wieder wertschätzen, was sie alles können. Daraus lassen sich Perspektiven entwickeln. Sie gewinnen Klarheit wie das neue Leben aussehen soll. Sie entdecken die Chance etwas zu finden, was noch besser zu ihnen passt. Was wollen sie zukünftig arbeiten. Soll es etwas Neues sein? Was für ein Unternehmen passt zu Ihnen? Wie soll die eigene Zukunft aussehen?
Was oder wie kann ich mein Leben sogar besser machen?
Aus meiner Sich ist das die positive Chance in dem Verlust.
Welche Erfahrungen haben Sie mit Kündigungen gemacht?
Wie sind Sie mit Trauer umgegangen?
Wenn Sie mehr über Trauer und den Umgang mit Trauernden erfahren wollen,
empfehle ich Ihnen die Homepage von Nicole Borho - Trost-Werkstatt
Schreiben Sie mir gern eine Mail: judith@judith-eggers.eu oder hinterlassen Sie einfach einen Kommentar
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Ich habe selbst meine Arbeit gekündigt und bin in ein tiefes Loch gefallen. Ich hoffe irgendwann ist alles wieder gut.
das kann ich gut verstehen – aus dem tiefen Loch herauszukommen ist alleine fast nicht zu schaffen. Professionelle Hilfe macht es leichter